Portrait in "Der Bund" von Rosanna Steppat, 20.09.2021
Berlin erlebt sie als hartes, aber kreatives pflaster
von unterseen nach berlin
Die 33-jährige Schauspielerin Anna Lienhardt wünscht Schweizern mehr Mut zum Aufbruch – und stört sich manchmal an der rauen «Berliner Schnauze».
Artikel von Rosanna Steppat | Publiziert in "Der Bund" am 20. September 2021| Foto: Lena Ganssmann
Von Unterseen nach Berlin
Mit den deutsch-schweizerischen Beziehungen ist es so eine Sache. So ähnlich sich die Nachbarländer sprachlich sind, so unterschiedlich ist die Mentalität. Dies weiss die junge Berner Schauspielerin Anna Lienhardt. Doch ihre Mutter wusste das nicht. Lienhardt erinnert sich an deren letzten Besuch in Berlin, als sie schlichtend eingreifen musste, weil sich die Mutter von der schroffen Bedienung im Restaurant persönlich angegriffen fühlte. Viele Schweizer verstünden nicht, dass die deutsche Art nicht per se arrogant gemeint sei. «Hier verzichtet man einfach auf die Förmlichkeitstänzchen, die wir in der Schweiz pflegen. Und diese Trockenheit mutet für viele Schweizer schon aggressiv an», sagt Lienhardt und lacht.
Politik oder Diplomatie?
Vor ein paar Jahren wagte Lienhardt den Sprung aus der Gemeinde Unterseen in die Berliner Künstlerszene. Was suchte sie dort? «Das wahre Leben.» 2013 befand sie sich noch mitten im Studium der Islamwissenschaften an der Universität Bern, als sie sich plötzlich erinnerte, dass ihr eigentlicher Traumberuf ein ganz anderer war. Zwar war sie als kreatives Kind auf dem «Bödeli» immer gefördert worden, nicht zuletzt durch ihre Mutter, die selbst als klassische Sängerin auf der Bühne stand. Doch als sie mit 16 Jahren die Liebe für die Schauspielerei packte, riet man ihr, sie solle doch lieber «etwas Vernünftiges» machen.
So widmete sich Lienhardt einem anderen Gebiet, der Politik, wurde Präsidentin des Jugendparlaments, engagierte sich sozialpolitisch und kulturell. Die junge Frau steuerte auf eine Karriere in der Diplomatie zu, als sie eines Tages nach der Vorlesung auf ein Onlinevideo der Dreharbeiten der Filmtrilogie von «Herr der Ringe» stiess. Als sie sah, wie der englische Schauspieler Andy Serkis mit Hingabe die animierte Figur von Gollum zum Leben erweckte, wurde sie vom Neidgefühl übermannt. Dieses Gefühl habe sie nicht mehr losgelassen. Und so schloss sie aus Vernunft ihr Bachelorstudium ab und sass schon bald darauf im Zug nach Berlin.
Shakespeare auf Mundart
Probeweise besuchte sie eine Schauspielschule in Berlin-Wilmersdorf. «Ich fühlte, dass ich auf dem richtigen Weg bin.» Aber ihr neues Leben hielt auch negative Gefühle für sie bereit. Beim Schauspielern haderte sie mit ihrem Schweizer Akzent. Anfänglich musste sie Shakespeare auf Mundart üben. «Anders kam ich nicht an die Emotionen heran.» Dank intensiven Trainings verbesserte sich ihr Hochdeutsch allmählich.
Sie fühlte sich gut auf ihrem neuen Weg. Immer besser gefiel es ihr im chaotischen Berlin, dessen multikulturelle Seite sie entfernt an das touristische Interlaken erinnerte. Alltägliche Dinge bereiteten ihr jedoch Mühe: schlecht organisierte Supermärkte, unpünktliche Berliner oder die fehlende Natur. «Doch wegen des Freiheitsgefühls wollte ich trotzdem bleiben.»
Sie schloss die Schauspielschule ab, bekam erste Rollen am Theater und stach mit einer Theatergruppe auf einem Kreuzfahrtschiff in See. Zwei Jahre lang spielte sie Theater auf den Weltmeeren. Dann liess das Virus alle Freiheitsperspektiven und die Auftragslage einbrechen, und Lienhardt zog es immer öfter zurück in die Schweiz. Auf dem Schweizer Theatertreffen bekam sie das Angebot, mit ihrem eigenen Kabarettprogramm an einem Theater in Zürich aufzutreten.
«Ich hatte nur eine erste Idee, sagte zu und schrieb einfach drauflos.» Mit Freude habe sie festgestellt, dass das Thema wie von selbst aus ihr herauskam. Ihr Programm «Alles muss man selber machen – eine Schweizerin wandert ein» feierte schliesslich Ende 2019 Premiere. In ihrer Kabarettshow nimmt Lienhardt vor allem die ungleichen Denkweisen aufs Korn, die es Schweizern und Deutschen manchmal miteinander so schwer machen. Sie bekomme gute Rückmeldungen, sagt sie. «Die Leute erkennen und reflektieren sich in diesen Andeutungen und Beobachtungen.» Lienhardt selbst lernt dank des Programms selbst viel über ihre neue und alte Heimat und über sich selbst.
Schmutzig, aber kreativ
Manchmal, wenn der Berliner Busfahrer an einem schönen Morgen eine unfreundliche Durchsage ins Mikrofon brülle, fehle ihr die schweizerische Zurückhaltung, gesteht sie. Aber Berlin, die Menschen und die Stadt selbst seien ihr zur Heimat geworden. Hier könne sie kreativ sein. Die «blitzblanke Fassade der Schweiz, an der alles abprallt», vermisse sie nicht. Vielmehr bewundert sie alle daheim gebliebenen Künstlerkollegen, die im «sterilen Setting» der Schweiz richtig kreativ sein könnten. Und mit Blick auf das im Vergleich zur schönen Schweiz schmutzige Berlin findet sie: «Es ist erstaunlich, welche Freiräume aus einem Misthaufen spriessen.»
Ob sie in absehbarer Zeit von ihrer Kunst leben kann, ist ungewiss. «In der Schweiz sind die Gagen für Kleinkünstler wesentlich besser, und das Genre ist fester in der Kultur verankert.» Doch Lienhardt bleibt optimistisch. Und zusammenfassend meint sie: «Wo es den Berlinern an Zurückhaltung mangelt, fehlt vielen Schweizern eine Portion Risikobereitschaft.
Quelle: https://www.derbund.ch/berlin-erlebt-sie-als-hartes-aber-kreatives-pflaster-613530433161
Artikel: Peter Wenger, "Berner Oberländer", 26.01.2020
Alles muss man selber machen
Anna Lienhardt ist vor sechs Jahren von Unterseen nach Berlin ausgewandert. Zurück mit ihrem Solo-Kabarettprogramm, begeisterte sie am Samstag ihr Unterseener Publikum.
Alles muss man selber machen!- Eine schweizerin wandert ein
Mit vollem Körpereinsatz trat Anna Lienhardt, die Unterseener Schauspielerin und Kabarettistin, im Stedtlitheater auf.
Artikel von Peter Wenger | Publiziert im "Berner Oberländer" am 26. Januar 2020 | Foto: Peter Wenger
«Die Schweiz, alles so pünktlich und höflich, alles so sauber, ordentlich und perfekt. Zu perfekt für den Lebensentwurf von Edith. Sie hat die Schnauze voll von ihrer tadellosen Heimat, macht sich auf nach Berlin…» Anna Lienhardt, Schauspielerin und Kabarettistin aus Unterseen und Berlin, schlüpft in die Figur Edith, die auswandert, um ihrem Leben einen neuen Drive zu geben.
Ein Ausbruch aus der Enge in die weite Berliner Welt. Und Edith gibt alles. Sie stürzt sich in den Strudel der Millionenstadt mit ihrer kaltschnäuzigen etablierten Gesellschaft, unfreundlich, abweisend.
Edith – die Koffer vollgepackt mit dem letzten Rest an Schweizer Image, den sie noch nicht missen möchte – kommt in der Metropole an. Das Fondue-Caquelon samt Brennsprit und Paste, ein Dutzend Schweizer Offiziersmesser und die scharfen Victorinox-Rüstmesser bringen den Zöllner in Rage: «Geht nicht, kann nicht, das Zeug bleibt draussen vor!»
Nicht so Edith. Mit dem Rest an Schweizer Charme, dem nötigen Ehrgeiz und Durchhaltewillen schafft sie es, sich in der Multikultigesellschaft durchzumausern. Nach und nach lernt sie die verschiedenen Charaktere kennen, die Erfolgsverwöhnten wie die Gestrandeten auf ihrer Suche nach einem Leben mit Perspektiven.
Witz mit Nadelstichen
Eine düstere Geschichte? Überhaupt nicht, Anna Lienhardt versteht es, mit viel Witz, Schalk und Tempo mit präzisen Nadelstichen Themen anzupiksen, die uns alle beschäftigen. Ob im fernen Berlin oder in unserem sauberen Ländli.
Anna Lienhardts Vitalität, Beweglichkeit und Lebensfreude wirken ansteckend. Trotzdem bleibt der Ernst der Themen nicht auf der Strecke. Im Gegenteil, er findet ein Schlupfloch in jeder abweisenden Panzerhaut. Auch am Samstagabend im ausverkauften Stadtkeller Unterseen.
Wurzeln in Unterseen
Anna Lienhardt ist nur einen Steinwurf weg vom Stedtlitheater aufgewachsen. Von Klein auf spielte sie «Theäterlis». Richtig Bühnenluft schnupperte sie im Kellertheater im Stück «Die Chinesische Mauer» von Max Frisch unter der Regie von Beatrice Augstburger. Edith, Anna? Gleicht die Bühnenfigur unserer Kabarettistin Anna Lienhardt?
Vor sechs Jahren ist sie nach erfolgreichem Studium an der Uni Bern von Unterseen nach Berlin ausgewandert. Hier schloss sie eine dreijährige Theaterausbildung an der Berliner Filmschauspielschule mit Erfolg ab. Erstes «grosses Publikum» erlebte sie bei Engagements auf hoher See beim TUI Cruises Entertainment auf dem Kreuzfahrtschiff «Mein Schiff 3». Mit seinem Schweizer Kapitän Thomas Roth am Steuer, fuhr ein wenig Heimat mit.
«Nach einem Jahr zurück in Berlin, fragte ich mich: Was will ich als Schauspielerin? Irgendwie passe ich nicht in das Klischee der Filmindustrie, und anbiedern bei Produzenten ist klar nicht mein Ding. Also was tue ich? Ich bin und bleibe ich selbst, schaffe aus mir heraus. Da liegen meine künstlerischen Fähigkeiten, mein Potenzial», sagt Anna Lienhardt – Powerfrau mit viel Herz und Leidenschaft – und sucht ihren Weg als Autorin, Schauspielerin und Produzentin.
Ihr Soloprogramm «Alles muss man selber machen» ist bei der Erstaufführung in Zürich und beim Heimspiel in Unterseen ausgezeichnet angekommen. In Zürich wird Edith im Theater «Keller 62» vom 6. bis 8. Februar zusätzlich zu sehen sein. Und in Unterseen? «Sag niemals Nie – ich arbeite an einer nächsten Folge, an Themen und Ideen fehlt es nicht…»
Quelle: https://www.berneroberlaender.ch/region/oberland/alles-muss-man-selber-machen/story/13717965
Unterseen/Berlin | 20. Dezember 2019 | Nora Devenish
anna geht ihren weg
Zum Sprung auf die grosse Bühne braucht es Passion, Durchhaltewille und eine gehörige Portion Mut. Anna Lienhardt hat alles. Im Januar kommt sie mit ihrem eigenen Einfraustück in den Stadtkeller zurück. Ein inspirierender Karriereanfang.
Anna lienhardt ist überzeugt von dem was sie macht.
Ihre Leidenschaft gilt der Schauspielerei.
Anna Lienhardt ist überzeugt von dem was sie macht. Ihre Leidenschaft gilt der Schauspielerei. Am 25. Januar steht Anna Lienhardt mit ihrer One Woman Show «Alles muss man selber machen! Eine Schweizerin wandert ein» auf der Bühne im Unterseener Stadtkeller.
Wir treffen uns bei der Haberdarre. «Mein Kraftort.» Dort, wo die Aare gegen den Strom fliesst, Blick aufs Bergpanorama, ein Ort der Stille inmitten dem Stedtli, wo Anna Lienhardt einen grossen Teil ihrer Kindheit und Jugend verbracht hat. Die 31-Jährige weiss, was sie will. Schon länger. «Theaterspielen, das habe ich bereits als kleines Mädchen gern gemacht.» Es sollte aber noch einige Jahre dauern, bis sie ihrem innersten Wunsch stattgeben würde. Heute hat sie ihren Traum, Schauspielerin zu werden, erfüllt. Ob es zum Lebensunterhalt reicht, ist noch nicht abzuschätzen. Mit «Alles muss man selber machen! Eine Schweizerin wandert ein» stellt sie sich vor. Das Einfraustück ist eine Eigenproduktion. «Meine Leidenschaft gibt mir die Kraft, meinen Weg zu gehen. Es fühlt sich richtig an.» Am 25. Januar feiert Lienhardt Heimatpremiere im Stadtkeller Unterseen.
Unterseen, Bern, Berlin
Wir sitzen auf einer Bank entlang der Aare und geniessen die winterlichen Sonnenstrahlen. Anna Lienhardt, eine aufgestellte, passionierte und selbstbewusste junge Frau wird still. «Dieser Ort ist sinnbildlich für meine Reise. Wer zur Quelle gelangen will, muss gegen den Strom schwimmen.» Vor sechs Jahren, den Bachelor in Islamwissenschaft der Uni Bern in der Tasche, zieht Anna Lienhardt Zwischenbilanz. «Mir wurde bewusst, dass ich mein Leben nicht im Büro verbringen will.» Stattdessen macht sie es sich zum Ziel, ihrer Leidenschaft der Schauspielerei Raum zu geben. Anna Lienhardt machte sich auf den Weg nach Berlin und fing von vorne an. «Berlin war ein Kulturschock. Dank Naivität und Optimismus setzte ich mich aber durch.» Aller Anfang ist schwer. «Schauspielen – Achtung Traumberuf.» Traumtänzerei hin oder her. Anna Lienhardt lebt ihren Traum. 2017 schliesst Anna Lienhardt die Filmschauspielschule Berlin nach dreijähriger Ausbildung ab. Leidenschaft und Überzeugung sind nach wie vor ungebrochen. «Es ist das Beste, was ich je gemacht habe.» Anna Lienhardt ist überzeugt von dem, was sie macht. Ihre Leidenschaft gilt der Schauspielerei.
Für die Kunst
Anna Lienhardt hält durch. Schwimmt gegen den Strom. «Nach wie vor gibt es viel mehr Männer- als Frauenrollen. Eigentlich dramatisch. Die Konkurrenz ist riesengross.» Äusserlichkeiten zählen in der Schauspielbranche mehr als anderswo. Schön, gross, dünn. Frauen, die diesem Ideal nicht gerecht werden, habens auf der Bühne noch schwerer als ohnehin. Lienhardt entscheidet: «Ich will mich nicht verbiegen, um in irgendeine Schublade zu passen.» Die junge Schauspielerin macht aus der Not eine Tugend und kreiert kurzerhand ihr eigenes Programm. Dafür nimmt sie einiges in Kauf. Um ihren Traum zu verwirklichen, lebt Anna Lienhardt in Deutschland von Harz IV, ist Sozialhilfeempfängerin und glücklich. «Ich bin frei, kann mich voll und ganz auf meine Kunst konzentrieren.» Dass dieser Entscheid nicht von allen gutgeheissen wird, in der korrekten Schweiz erst recht nicht, kümmert Anna Lienhardt wenig. «Kunst braucht Freiraum.»
Selbst ist die Frau
Anna Lienhardt ist überzeugt. «Ich bin eine One Woman Show. Ich bin eine Powerfrau in Eigenregie.» Mit «Alles muss man selber machen! Eine Schweizerin wandert ein» feiert sie ihr Debüt. Als Edith thematisiert Lienhardt aktuelle gesellschaftspolitische Brennpunkte wie Migration oder Klimawandel und die vorherrschende Doppelmoral. Entstanden ist laut Lienhardt «ein absolut absurdes Stück, in das ich alles reinpacke, was mich bewegt, und ist durchaus auch autobiografisch.» Das Publikum erwartet rasante neunzig Minuten. «Im besten Fall ermutigt mein Stück die Theaterbesucher zum Überdenken ihres eigenen Lebensentwurfs.» Eine Moralpredigt ist «Alles muss man selber machen! Eine Schweizerin wandert ein» aber nicht. Anna Lienhardt hält fest: «In erster Linie ist meine Performance Unterhaltung.»
Die Premiere in Zürich traf den Geschmack des Publikums. Drei Zusatzvorstellungen im Keller62 sind gebucht. Am 25. Januar steht aber erst die Heimatpremiere im Stadtkeller Unterseen an. «Daheim aufzutreten, ist ganz speziell. Ich freue mich auf die Reaktionen. Ein Traum geht in Erfüllung.»
Quelle: https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/178577/